Der freie Wille
Benjamin Libet konnte 1983 (Libet et al. 1983) nachweisen, dass einer Körperbewegung wie z.B. dem Heben des rechten Arms, spezifisch so genannte Bereitschaftspotentiale zeitlich dem Willensentschluss stets vorausgehen. Dies tritt mit der Aktion nicht zeitlich zusammen, noch folgt sie dieser Handlung. Das heißt es wurden elektrische Signale gemessen, die noch vor dem willentlichen (gedanklichen) Beschluss den Arm zu heben entstehen. 1999 wurden diese Versuche von den beiden Psychologen P. Haggard und M. Eimer mit einigen wichtigen Verbesserungen der experimentellen Anordnungen wiederholt (Haggard und M. Eimer, 1999). Insgesamt bestätigten sie die Befunde von Libet und seinen Mitarbeitern. Das Interessante an den Untersuchungen war aber, dass Personen diese, ihrer bewussten Entscheidung vorauseilenden Aktivierungen, nicht bemerkten. Sie erklärten auch, dass sie den Arm bewusst heben wollten. Wurde bei anderen Experimenten das motorische Zentrum des Gehirns durch Elektroden elektrisch stimuliert, sodass sich der Arm automatisch heben musste (also ohne eine willentliche Entscheidung des Betroffenen) so erklärten auch hier die Versuchspersonen, dass Sie eigentlich den Arm selbst gehoben hatten, dass Sie das bewusst wollten. Es zeigte sich dabei, dass wir auch Dinge, die wir nicht bewusst, also auf einen willentlichen Denkprozess folgend, machen als unsere eigenen, willentlich ausgelösten, ansehen. Dieser Prozess ist in der Psychologie schon lange als „Blinder Fleck“ bekannt. Blinder Fleck bezeichnet in der Sozialpsychologie die Teile des Selbst oder Ichs, die von einer Persönlichkeit nicht wirklich wahrgenommen werden. In der Soziologie wurden diese Abwehrmechanismen Neutralisationsmechanismen genannt (Sykes & Matza 1968), die dazu dient eine Handlunge für das Selbst, das EGO, zu erklären oder zu bagatellisieren, zu rationalisieren oder zu leugnen. Diese Untersuchungen, und auch unsere eigenen Untersuchungen an Spitzensportlern (1990) mittels Hirnpotentialmessungen zeigten uns den gleichen rätselhaften Effekt. Noch bevor der Sportler z.B. einen Arm bewusst bewegen wollte, konnten wir im Gehirn eine entsprechende Potentialverschiebung messen. Die Impulse kamen aus unterbewussten Bereichen des Gehirns. Untersuchungen die wir erst 2005 abschlossen wiesen darauf hin, dass dieser Effekt in unbewusst ablaufenden Bereichen des Gehirns generiert wird. Unter normalen Umständen erleben wir nicht, wie Wünsche und Absichten aus dem Unterbewussten (dem limbischen System und auch aus Teilen der rechten Hirnhälfte, aus unbewussten neuronalen Netzen) in die assoziative Großhirnrinde (vornehmlich das Stirnhirn) aufsteigen, denn erst dort werden sie uns bewusst. Das ist ein merkwürdiger Prozess: Es ist so als ob wir in einem Auto sitzen, das manchmal selbständig Reaktionen durchführt und wir diese -nachträglich- als unsere eigenen gewollten Reaktionen ansehen würden. Wir haben es somit mit einem unbewussten Akt zu tun, einer unheimlichen Selbständigkeit, die wir eigentlich durch eine ausreichende Aktivierung der Stirnlappen und einer Fokussierung unseres Bewusstseins im Stirnzentrum weitgehend unterbinden müssten.
Die Frage, ob unser Wille wirklich frei ist, wird seit Jahren nicht nur von Neurologen immer wieder diskutiert und untersucht. Der amerikanische Neurobiologie Dr.Wir unterliegen sehr oft einem inneren Zwang/Drang, der aus unseren alten Hirnbereichen kommt. Die Aktivitäten des limbischen Systems mit Amygdala, Hippocampus (sowie andere, hier nicht genannte, limbische Hirnbereiche), hat zur Folge, dass beim Entstehen von Wünschen, und Absichten das unbewusst arbeitende emotionale Erfahrungsgedächtnis (unbewusste neuronale Netze) das erste Wort hat. Die Entscheidung ob das, was gewünscht wurde, jetzt und hier und so und nicht anders getan werden soll trifft dann entweder auch das limbische System oder bei ausreichender Aktivierung der Frontallappen der Beobachter. Eine Letztentscheidung durch das limbische- emotionale- System fällt in den meisten Fällen innerhalb von 1-2 Sekunden, noch bevor wir diese Entscheidung bewusst wahrnehmen und den Willen haben, die Handlung auszuführen bzw. die Handlung zu unterdrücken. Ist der Frontalhirnbereich aber ausreichend aktiv so können Handlungen (z.B. negative) auch unterbrochen werden.